Epidermis, 2009 - 2014, Matches, wood glue, wax finish, 52 pieces of various sizes
Group of work
Epidermis
2009 - 2014
Emotion – Audiovisuelle Kultur – Emotionslosigkeit
Jonas Schenk
Wie soll Kunstschaffen ohne Emotion zu denken sein? Schließlich sollte jede Arbeit Träger von Emotionen und Ausdruck des Schaffenden sein. Es stellt sich nicht die Frage, inwieweit Künstler sich mit dem Thema der Emotion bildhaft auseinandersetzen, da jede Arbeit ihr ganz persönliches emotionales Potenzial in sich trägt. Die Emotion als Werkstoff verstanden, setzt ganz natürlich im Künstler kreative Prozesse frei; woher kommt demnnach die Notwendigkeit sie eigens zu beobachten? "Emotion klingt für mich nach Kernseife", bemerkt Kulturwissenschafterlin Sigrid Weigel im Rahmen der Veranstaltung Am Schauplatz der Intimität im Berliner Theater Hebel. Zum Ausdruck bringt sie damit ihre kritische Hatung zum mittlerweile vollständig ökonomisierten Begriff der Emotion, der zunehmend Gegenstand naturwissenschaftlicher Forschung geworden ist. Die Emotion als ein messbares "Objekt", welches sich durch kausale Erklärungsmodelle und Statistisken erklären lässt. ́Erkenntnisse ́ der Emotionsforschung fließen in weite Teile des öffentlichen Lebens ein, zum Beispiel die Werbung und meinen auf unsere subjektiven Wünsche und Hoffnungen eine individuelle Antwort geben zu können. Dabei soll die Emotion etwas ganz eigenes sein, die sich wie Flutwelle in und über uns ergießt. Doch schon beim Schauspiel merken wir, dass die Emotion etwas ist, dass künstlich vorgetäuscht werden kann. Im Fußballstadion entdeckt man die Ritualsierung einer Physiognomie der Freude. Doch auf der Theaterbühne wie im Bild wird eine notwendige Authenzität der Beteiligten vorausgesetzt, um die Emotion glaubhaft darstellen bzw. abbilden zu können. Das Thema der Emotion hängt somit auch von Seh- und Bildgewohnheiten ab, die unser Denken bestimmen. Wie stehen sich ́Realität ́ und Wunsch gegenüber? Die ambivalenz des Bildes bringt stehts eine Empfindung, ein Gefühl, ein Affekt zutage. Was es ist, was man fühlt, verweigert sich, im Gegensatz zur Emotionsforschung, einer klaren Identifizierung.
Kathrin Graf beschäftigt sich intensiv mit der Hülle von Körpern. Ihr durchaus wissenschaftlich geprägtes Interesse am Körper zeigt sich an künstlerischen Untersuchungen, wieviel ein Körper (physisch) erdulden kann und wie Physis und Psyche im gegenseitigen Verhältnis zueinanderstehen. Doch entgegen Ergebnissen aus der Emotionsforschung bleiben ihre Versuchsanordnungen offen. Es ist die Frage, in welchen Bereichen sich Erkenntnis abspielen muss und kann. Es vielleicht gerade die einzelne Empfindungen, anstelle ganzer Abhandlungen darüber, wie Hirnströme miteinander verbunden sind, die einen erkenntnisstheoretischen Wert besitzen. Auf einem Glastisch angeordnet, nach Form und Größe sortiert und mit Nummern versehen, findet sich ein zerteiltes organisches Ganzes (Epidermis, 2009-2014). Was es war, lässt sich nicht mehr erschließen. Die Präsentation auf Glas, wie in Anatomischen Sammlungen, schafft eine bewusst neutrale Atmosphäre, bei der die wissenschaftliche Erkenntnisse im Vordergrund zu stehen scheint. Die Unkenntnis über die Natur des Gegenstandes trägt ihren Teil dazu bei, dass man der sezierten Arbeit mit gemischten Gefühlen gegenüber stehen mag. Bloße Ahungen, die sich nicht verbalisieren lassen, vielleicht ein dumpfes Gefühl? Die Atmosphäre von Grafs Arbeiten lichtet sich erst beim Verweilen und dennoch bleibt eine gewisse Ambiguität der Sache gegenüber. Und auch wenn das Objekt vor uns liegt, wir seine Hülle und sein Innenleben sehen, jedes Einzelteil inspizieren und untersuchen können, verstehen wir es denn dann? Der Moment der Unkenntnis wirft uns vielleicht auf Unvermögen zurück, die Dinge sprichwörtlich begreifen zu können.
Auszug, tripoly – Das Magazin für Wissen, Gesellschaft und Kunst, 2015
Epidermis, 2009 - 2014, Matches, wood glue, wax finish, 52 pieces of various sizes
Installation view, Künstlerforum Bonn, 2014
Epidermis, 2009 - 2014, Matches, wood glue, wax finish, 52 pieces of various sizes
Epidermis, 2009 - 2014, Matches, wood glue, wax finish, 52 pieces of various sizes
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Epidermis
2009 - 2014
Emotion – Audiovisuelle Kultur – Emotionslosigkeit
Jonas Schenk
Wie soll Kunstschaffen ohne Emotion zu denken sein? Schließlich sollte jede Arbeit Träger von Emotionen und Ausdruck des Schaffenden sein. Es stellt sich nicht die Frage, inwieweit Künstler sich mit dem Thema der Emotion bildhaft auseinandersetzen, da jede Arbeit ihr ganz persönliches emotionales Potenzial in sich trägt. Die Emotion als Werkstoff verstanden, setzt ganz natürlich im Künstler kreative Prozesse frei; woher kommt demnnach die Notwendigkeit sie eigens zu beobachten? "Emotion klingt für mich nach Kernseife", bemerkt Kulturwissenschafterlin Sigrid Weigel im Rahmen der Veranstaltung Am Schauplatz der Intimität im Berliner Theater Hebel. Zum Ausdruck bringt sie damit ihre kritische Hatung zum mittlerweile vollständig ökonomisierten Begriff der Emotion, der zunehmend Gegenstand naturwissenschaftlicher Forschung geworden ist. Die Emotion als ein messbares "Objekt", welches sich durch kausale Erklärungsmodelle und Statistisken erklären lässt. ́Erkenntnisse ́ der Emotionsforschung fließen in weite Teile des öffentlichen Lebens ein, zum Beispiel die Werbung und meinen auf unsere subjektiven Wünsche und Hoffnungen eine individuelle Antwort geben zu können. Dabei soll die Emotion etwas ganz eigenes sein, die sich wie Flutwelle in und über uns ergießt. Doch schon beim Schauspiel merken wir, dass die Emotion etwas ist, dass künstlich vorgetäuscht werden kann. Im Fußballstadion entdeckt man die Ritualsierung einer Physiognomie der Freude. Doch auf der Theaterbühne wie im Bild wird eine notwendige Authenzität der Beteiligten vorausgesetzt, um die Emotion glaubhaft darstellen bzw. abbilden zu können. Das Thema der Emotion hängt somit auch von Seh- und Bildgewohnheiten ab, die unser Denken bestimmen. Wie stehen sich ́Realität ́ und Wunsch gegenüber? Die ambivalenz des Bildes bringt stehts eine Empfindung, ein Gefühl, ein Affekt zutage. Was es ist, was man fühlt, verweigert sich, im Gegensatz zur Emotionsforschung, einer klaren Identifizierung.
Kathrin Graf beschäftigt sich intensiv mit der Hülle von Körpern. Ihr durchaus wissenschaftlich geprägtes Interesse am Körper zeigt sich an künstlerischen Untersuchungen, wieviel ein Körper (physisch) erdulden kann und wie Physis und Psyche im gegenseitigen Verhältnis zueinanderstehen. Doch entgegen Ergebnissen aus der Emotionsforschung bleiben ihre Versuchsanordnungen offen. Es ist die Frage, in welchen Bereichen sich Erkenntnis abspielen muss und kann. Es vielleicht gerade die einzelne Empfindungen, anstelle ganzer Abhandlungen darüber, wie Hirnströme miteinander verbunden sind, die einen erkenntnisstheoretischen Wert besitzen. Auf einem Glastisch angeordnet, nach Form und Größe sortiert und mit Nummern versehen, findet sich ein zerteiltes organisches Ganzes (Epidermis, 2009-2014). Was es war, lässt sich nicht mehr erschließen. Die Präsentation auf Glas, wie in Anatomischen Sammlungen, schafft eine bewusst neutrale Atmosphäre, bei der die wissenschaftliche Erkenntnisse im Vordergrund zu stehen scheint. Die Unkenntnis über die Natur des Gegenstandes trägt ihren Teil dazu bei, dass man der sezierten Arbeit mit gemischten Gefühlen gegenüber stehen mag. Bloße Ahungen, die sich nicht verbalisieren lassen, vielleicht ein dumpfes Gefühl? Die Atmosphäre von Grafs Arbeiten lichtet sich erst beim Verweilen und dennoch bleibt eine gewisse Ambiguität der Sache gegenüber. Und auch wenn das Objekt vor uns liegt, wir seine Hülle und sein Innenleben sehen, jedes Einzelteil inspizieren und untersuchen können, verstehen wir es denn dann? Der Moment der Unkenntnis wirft uns vielleicht auf Unvermögen zurück, die Dinge sprichwörtlich begreifen zu können.
Auszug, tripoly – Das Magazin für Wissen, Gesellschaft und Kunst, 2015
Epidermis, 2009 - 2014, Matches, wood glue, wax finish, 52 pieces of various sizes
Epidermis, 2009 - 2014, Matches, wood glue, wax finish, 52 pieces of various sizes
Installation view, Künstlerforum Bonn, 2014
Epidermis, 2009 - 2014, Matches, wood glue, wax finish, 52 pieces of various sizes
Epidermis, 2009 - 2014, Matches, wood glue, wax finish, 52 pieces of various sizes
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